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Passau – Klatovy – Parkplatz Velhartice

Gefahrene Strecke: 158 km

Übernachtung: Parkplatz Velhartice

Mara geht es besser. Sie hat ihre Magen-Darm-Grippe fast überwunden. Und eigentlich haben wir auch noch keine Lust morgen wieder arbeiten zu gehen. Wir entscheiden uns deshalb die dritte Woche unseres Urlaubs in vollsten Zügen auszukosten. Nur wohin? So kurzfristig? Wir hatten mal Slowenien ins Auge gefasst, weil wir noch eine gültige Vignette für Österreich haben. Da dort freistehen fast überall komplett verboten ist und hohe Strafen drohen, planen wir kurzerhand um: Es geht nach Tschechien, genauer gesagt in den Böhmerwald. Dahin haben wir eine kurze Anreise und sind im Notfall kurzfristig wieder daheim.

Das Wohnmobil ist schnell gepackt. Wasser ist noch im Tank, die sauberen Kleidungsstücke haben wir gleich in den Schränken gelassen und was dreckig war, ist bereits wieder sauber. Noch ein paar Lebensmittel eingepackt und los geht’s. Eine Woche lässt wenig Zeit zum Treiben lassen. Wir wollen uns deshalb weitestgehend an Wandertouren aus dem Rother Wanderführer orientieren und uns von der nördlichen Ecke des Böhmerwalds, in Richtung Süden vorarbeiten. Unser erstes Ziel ist Klatovy.

Die Fahrt führt von Passau aus über die Bundesstraße, fast schnurgerade Richtung Norden. Wir kommen an einigen bekannten Orten, wie Zwiesel und Bayerisch Eisenstein vorbei, bevor wir endlich die Grenze zu Tschechien passieren. Die bange Frage: Wird sich diese eine Woche wie Urlaub anfühlen? Spätestens als wir die Ortsnamen sehen und die Benzinpreise in tschechischen Kronen angeschrieben sind, ist das Urlaubsfeeling wieder da. Und das beste daran ist, dass wir nicht einmal zwei Stunden unterwegs sind, bis wir Klatovy erreichen.

Ein Parkplatz nahe dem Stadtzentrum ist schnell gefunden. Eine nette Dame in einem Imbiss erklärt uns, dass wir heute keine Parkgebühren zahlen müssen. Wir schlendern durch die verschlafenen Gassen des mittelalterlichen Stadtkerns. Am Marktplatz angekommen, sind wir vom Schwarzem Turm und der Jesuiten-Kirche (Kirche der unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Mariä und des Heiligen Igancius) überwältigt.

Rathaus, Schwarzer Turm und Jesuiten-Kirche

Klatovy bietet ein besonderes Highlight: Es gibt hier Katakomben, in denen ursprünglich 200 mumifizierte Leichname von Angehörigen des Jesuitenordens und spendabler Bürger zur letzten Ruhe gebettet waren. Darauf steuern wir als erstes zu. Freaky muss draußen warten (das kennen wir ja bereits), während wir uns in den Katakomben umsehen. Interessante Dokumente, Bilder, Stiche und Installationen klären über den Jesuitenorden auf.

In den Katakomben gibt es viel zu bestaunen und zu lernen
Erst 2021 wurden die Renovierungsarbeiten abgeschlossen

Und dann sind da die Mumien! In Glassärgen kann man einige der verbliebenen Leichname bestaunen. Einige waren wohl eher füllig (man kann die dicken Bäuche und getrockneten Hautlappen an Armen und Beinen noch erkennen), einige sehr groß (zu groß für ihre Särge) und andere wiederum sehen so aus, als würden sie nur schlafen. Die Besonderheit ist hier, dass die Mumien nicht künstlich einbalsamiert und mumifiziert wurden (wie in Ägypten), sondern durch das besondere Mikroklima und das ausgeklügelte Belüftungssystem auf natürliche Weise getrocknet wurden.

Schaurig schön
Angehörige des Jesuitenordens sind hier neben spendablen Bürgern bestattet

Nach den schaurigen Mumien, machen wird eine kleinen Stadtrundgang. Als erstes besichtigen wir die alte Jesuiten-Barock-Apotheke „Zum weißen Einhorn“ (es ist wahnsinnig voll, so dass es nur für ein Foto von außen reicht) und den Schwarzen Turm – ehemals Rathausersatz und Folterkeller -, von dessen Spitze wir einen fantastischen Blick über Stadt und Umland haben. Wir stoßen in einer Seitengasse auf einen Turm der ehemaligen Stadtmauer und das Dominikanerkloster.

Barock-Apotheke „Zum weißen Einhorn“
Die Treppen im schwarzen Turm sind sehr eng…
… geben an ihrem Ende aber einen atemberaubenden Blick über Stadt und Umland preis
Turm der alten Stadtmauer

Anschließend spazieren wir entlang der Stadtmauerreste, kommen am Stadtmuseum vorbei, durchqueren den Weißen Turm und stehen vor der beeindruckenden Kirche der Geburt Jungfrau Mariä. Im Inneren füllt die Messnerin gerade Weihwasser auf. Als sie sieht, dass wir Fotos durch das geschlossene Gitter der Kirche machen, schließt sie für uns auf und bittet uns herein. Sogar Freaky darf die Kirche besichtigen. Das viele Gold, die prunkvollen Seitenaltäre und die verspielten Details lassen uns aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen. 

Eine ganze Kirche für uns allein
Gold, soweit das Auge reicht

Tschechien hat den Euro nicht eingeführt. Landeswährung ist die Tschechische Krone. Dank Nähe zur Grenze können wir hier zwar in Euro zahlen, aber wir bekommen bereits jetzt mit, dass es wohl besser ist, Landeswährung in bar verfügbar zu haben. Die Wechselkurse sind sonst sehr dreist. Nächster Halt ist also eine Bank.

So viel Stadt hat uns hungrig gemacht. Im Stadtzentrum haben wir bisher nur Pizzerien, Cafés, Asia-Restaurants und Dönerbuden gesehen. Uns gelüstet es nach Gulasch mit Knödeln – typisch tschechische Hausmannskost. Wir versuchen unser Glück auf Google Maps. Richtig fündig werden wir dabei leider nicht und nach ein paar erfolglosen Versuchen entscheiden wir uns in Richtung der ersten Wandertour zu fahren.

Im kleinen Ort Velhartice soll es mindestens einen, wenn nicht sogar zwei Gasthöfe geben, die unsere letzte Hoffnung auf Gulasch für heute darstellen. Wir stellen den Camper Van auf dem Parkplatz hinter der Kirche ab und laufen zu Lokal Nummer eins. Es gibt Bier und Kofola, sonntags aber leider kein Essen. Bei Gasthof Nummer zwei erleben wir dasselbe. Wir geben für heute auf und kaufen uns einfach zwei Bier – Gulasch bekommen wir dann vielleicht morgen nach unserer Wanderung.

Übernachten hinter der Kirche, mitten im Ort – im Tal zieht der Nebel auf

Wir sitzen noch lange vor dem Gasthof. Trinken unser Bier und sehen den Dorfbewohnern zu, wie sie spazieren gehen, quatschen oder selbst ein Bier trinken. Nebenbei würfeln wir ein bisschen und beobachten wie der Nebel in der Ferne im Tal aufsteigt. Über uns färbt sich der Himmel langsam lila und die untergehende Sonne färbt die Wolken orange.

Uns wird klar, dass hierher zu kommen, genau die richtige Entscheidung war.

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