Gefahrene Strecke: 15 km
Übernachtung: Wanderparkplatz Borová Lada
Eigentlich wollen wir heute nur eine mittellange Wanderung nach Březník machen… eigentlich… dann kommt alles anders als erwartet und es wird ein richtiges Abenteuer! Aber eins nach dem anderen.
Für heute steht Tour Nummer 20 aus unserem Rother Wanderführer auf dem Programm: Nach dem vielen Wald und Wasser der letzten Tage, wollen wir uns heute ein Hochmoor ansehen. Zur Einkehr soll es in die etwa 7 Kilometer von Modrava entfernt Březník Hütte gehen, bevor wir auf der Teerstraße wieder zum Wohnmobil zurückkehren. Wir wachen gegen 8 Uhr auf, frühstücken, packen und sind schon eine Stunde später auf dem Wanderweg.
Der hübsche Weg beginnt direkt am Ortsrand von Modrava und verschwindet sofort im Wald. Zunächst ist er eher ein Steig, der bald zu einem unbefestigten Forstweg wird. Kühl ist es am Morgen. Wir ziehen die Reißverschlüsse unserer Jacken zu und setzen Mützen auf. Heute soll es ein angenehmer Tag werden – ohne Regen, dafür mit wechselnd Sonne und Wolken. Die ersten Anstiege liegen schnell hinter uns. Die Sonne kommt raus und scheint durch Bäume und Unterholz. Auf den Lichtungen, die wir passieren, sehen wir viel Totholz. Der Borkenkäfer hat zugeschlagen und Stürme haben dann den Rest erledigt. Immer wieder blitzen aber auch rot die Beeren der Eberesche und die weiße Rinde der Birken durchs hohe Gras. Ein gutes Zeichen.
Nach etwa einer Stunde Wanderung erreichen wir das Hochmoor. Auf hölzernen Stegen überqueren wir den mit Moos bewachsenen Boden. Es ist feucht und riecht modrig, dafür ist alles herrlich grün und leuchtend. Immer wieder sehen wir kleine und größere schwarze Kothaufen. Manche scheinen fast vollständig aus Heidelbeeren zu bestehen. Neugierig machen wir ein paar Fotos, um später zu klären, was es damit auf sich hat.
Nachdem die Stege passiert sind, folgen weitere Anstiege. Mal auf Forstwegen. Mal auf einem Wanderweg. Zum Schluss auf einer geteerten Forststraße, die uns direkt zur Březník Hütte bringt. Wir sind die ersten Gäste des Tages. Zumindest fast: Vor der Hütte sitzen zwei tschechische Nationalpark-Ranger, ihr schwarzer Hund und die Hüttenwirtin. Sie trinken Kaffee, grüßen freundlich und schauen in die Ferne.
Und was für eine Ferne das ist! Vor uns liegt das zauberhafte Lusental. Eine weite, grasbewachsene und sonnenbeschienene Hochebene, am Fuß des Berges. Wir wissen vor lauter Staunen und Ergriffenheit gar nicht, was wir sagen sollen. So eine unberührte Naturschönheit haben wir hier nicht erwartet. Direkt vor unserer Haustür! Einfach atemberaubend und zauberhaft.
Wir fassen uns ein Herz und fragen einen der netten Ranger, ob er weiß, von welchem Tier der Kot auf unseren Fotos stammt. Es wird nachgefragt und mit Google Translate übersetzt. Zum Schluss einigen sich die Ranger darauf, dass der Kot von einem Marder stammt. Einer von ihnen spricht sehr gut Englisch und beantwortet geduldig unsere Fragen nach Bären (nein, es gibt keine Bären im Böhmerwald), Wölfen (ja, es gibt zwei Rudel) und Luchsen (ja, die gibt es auch, aber die haben ein Problem mit dem Genpool). Interessiert fragt er uns, wo wir herkommen, ob wir schon einmal auf dem Lusen waren und erklärt uns, dass die Hütte bereits geöffnet ist und wir drinnen einen Kaffee bekommen können. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen.
Als wir mit unserem Kaffee zurück sind, mustert er uns von oben bis unten und fragt, „Are you in a hurry today?“. Nein, sind wir natürlich nicht. Er erklärt uns, dass noch genug Zeit wäre, den Lusen zu besuchen. Wir geben ihm zu verstehen, dass wir bereits wissen, dass das von hier nicht möglich ist. Der direkte Weg in Richtung Lusen zu einem Grenzübergang namens „Blaue Säulen“ ist seit 2000 von der tschechischen Nationalparkverwaltung gesperrt und führt durch die Kernzone. Den Schleichweg, den unser Wanderführer vorschlägt, kennt der Ranger auch – rät aber davon ab, weil auch der zu einem guten Stück durch die Kernzone führt. „Aber, da unten, links hinter der Brücke führt ein Weg in den Wald. Der ist genau auf der Grenze zur Kernzone. Der geht immer bergauf und an seinem Ende müsst ihr euch einfach durch das offene Gelände schlagen, bis ihr am Kamm auf den Grenzsteig stoßt, der euch in ungefähr 3 Kilometern zum Lusen bringt. Zurück geht ihr genau denselben Weg.“ Äh, wie bitte? Der Nationalpark-Ranger erklärt uns, wie man von hier zum Lusen kommt, obwohl das eigentlich gar nicht geht? Diese Chance lassen wir uns nicht entgehen!
Gerade wollen wir uns bedanken, als wir in der Ferne zwei Trailrunner sehen, die auf den gesperrten Weg zu den „Blauen Säulen“ einbiegen. Die Ranger geben ihnen noch etwas Vorsprung, bevor sie sich verabschieden, in ihr Auto springen, ins Tal brausen und den Trailrunnern folgen. Das wird ein teurer Spaß…
Wir dagegen leeren unseren Kaffee, kaufen noch etwas Proviant und machen uns auf den Weg ins Abenteuer. Wie beschrieben, biegen wir in den Wald ab. Der Weg ist zunächst gut zu erkennen. Leider (oder zum Glück für die Natur?) ist er weder auf Google Maps, noch auf Komoot verzeichnet. Wir kommen gut voran. Das Gras ist dicht und der Boden feucht. Bald stehen wir mitten im lichten Wald. Der Weg geht offensichtlich nicht mehr weiter. Also heißt es links halten und durchschlagen. Kraxeln. Bäumen auseinanderhalten. Nicht ausrutschen. Kniehohe Heidelbeeren überwinden. Und plötzlich stehen wir auf dem Grenzsteig. Links von uns ist Bayern, rechts von uns Tschechien. Der Steig ist nicht sehr breit, aber wir können erkennen, dass er regelmäßig begangen und auch gepflegt wird.
Wir halten uns rechts in Richtung Lusen. Diesen können wir von unserer aktuellen Position aus aber noch gar nicht erkennen. Als wir die letzte Kuppe erklimmen, liegt der karge Kegel des Lusens plötzlich majestätisch vor uns – ganz anders als wir ihn sonst kennen. Der Grenzsteig führt schnurgerade auf den Berg zu.
Wir passieren alte Grenzschilder und stoßen am Fuße des Lusen auf einen alten, wunderschönen Grenzstein. Rund 80 Höhenmeter später stehen wir auf dem Lusengipfel. Von hier oben können wir die Březník Hütte in der Ferne sehen, von der aus wir gestartet sind. Wow, ist die weit weg! Endlich können wir die verschiedenen Orte auf tschechischer Seite einordnen, die wir bei unseren letzten Besuchen nicht benennen konnten. Wir machen kurz Rast, statten der Lusenhütte dieses Mal keinen Besuch ab und sind schon nach 20 Minuten wieder auf dem Rückweg.
Wir folgen dem Grenzsteig, auf dem wir gekommen sind. Dieses Mal gehen wir den Steig aber bis zu einer „Ecke“ in der deutsch-tschechischen Grenze. Der Steig ist hier hüfthoch mit Heidelbeerbüschen bewachsen. An der Ecke angekommen, gibt es noch ein Erinnerungsfoto, bevor wir uns wieder in die Büsche stürzen und querfeldein zu unserem Waldweg zurückkehren. Dank Garmin Uhr finden wir den Weg nach einigem Fluchen, Stürzen und ein paar Blessuren schnell wieder.
Wir erreichen die Teerstraße, die uns wieder ins Tal nach Modrava bringt. Der Weg führt immer am Bach entlang, der das Lusental durchströmt. Wir finden einen guten Rythmus und die 7 Kilometer vergehen wie im Flug. Was für eine Tour! So etwas erlebt man nur einmal.
Am Wohnmobil angekommen, suchen wir uns rasch einen Stellplatz für die nächste Nacht bei Park4Night. Als wir den Parkplatz verlassen, schenken wir einem deutschen Camper-Pärchen unser noch gültiges Parkticket. Keine 15 Minuten später erreichen wir bereits Borová Lada, den Ausgangspunkt für unsere morgige Wanderung. Bevor es ins Bett geht, gibt es im örtlichen Restaurant „U Černého Vlka“ zur Feier des Tages erst einmal Himbeerlimonde, Knoblauchsuppe, Gulasch mit hausgemachten Knödeln und Dampfnudeln mit Heidelbeeren.